Wenn man von einem Schlaganfall spricht, ist meistens der ischämische Schlaganfall gemeint, bei dem eine Arterie im Gehirn verstopft wird und betroffene Hirnareale daraufhin nicht mehr mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden. Die Gehirnblutung ist eine andere Form dieses medizinischen Notfalls, bei der es zum Platzen eines Blutgefäßes kommt. Infolgedessen kommt es nicht nur zu einer Schädigung von Gehirnzellen durch die Blutung selbst – der dadurch entstehende Druck kann zu zusätzlichen Schäden am Gehirn führen. Eine Studie von Wissenschafter*innen der Med Uni Graz rund um Simon Fandler-Höfler von der Universitätsklinik für Neurologie – hat sich mit dem Risiko von Hirnblutungen beschäftigt und damit, wie die Bildgebung mittels Magnetresonanztomographie (MRT) die Risikoeinschätzung der Patient*innen unterstützen kann.
Eine Frage des Zeitpunkts
Eine häufige und besonders gefährliche Form eines Schlaganfalls ist die intrazerebrale Blutung (oder Gehirnblutung), die in Österreich rund 3 000 Mal jährlich auftritt und gemeinsam mit anderen Schlaganfallformen die dritthäufigste Todesursache darstellt. Menschen, die eine solche Gehirnblutung überlebt haben, haben generell ein erhöhtes Risiko, eine weitere Blutung zu erleiden. Häufig wäre aber aus Gründen anderer Erkrankungen die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten (Thrombozytenaggregationshemmung oder Antikoagulation) notwendig, was zu einer schwierigen Risikoabwägung führen kann, da diese eine Gehirnblutung verschlimmern können. Gerade aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, die individuelle Gefahr erneuter Blutungen einzuschätzen. Die kürzlich im renommierten Journal Neurology veröffentlichte Forschungsarbeit von Simon Fandler-Höfler von der Med Uni Graz beschäftigt sich damit, wie basierend auf MRT-Bildern das Wiederauftreten weiterer Hirnblutungen vorhergesagt werden kann.
Ursache von Gehirnblutungen
Die Studie hat die Daten von 443 Patient*innen mit Gehirnblutungen analysiert. Basierend auf den MRT-Bildern der Patient*innen wurden die Ursachen der Blutungen untersucht und es wurde geprüft, welche dieser Krankheiten das größte Risiko bergen, eine erneute Gehirnblutung hervorzurufen. Die meisten dieser Notfälle werden durch sogenannte zerebrale Mikroangiopathien verursacht – eine Gruppe von Erkrankungen, die zu Schädigungen kleiner Blutgefäße im Gehirn führen. Simon Fandler-Höfler dazu: „Oftmals wird eine Gehirnblutung nur hingenommen und ihre Ursachen nicht weiter untersucht. Dabei kann gerade die Feststellung der Grunderkrankung viele Informationen zu Prognose und Risiko erneuter Gehirnblutungen bieten.“ Besonders hoch ist die Gefahr eines erneuten Auftretens bei der zerebralen Amyloidangiopathie, bei der es über chronische Prozesse zu Schädigungen von kleinsten Hirngefäßen und daraus folgend zu Blutungen kommen kann. Aber auch bei anderen Ursachen, wie der sogenannten hypertensiven zerebralen Mikroangiopathie, kann dank moderner Bildgebung das individuelle Risiko einer erneuten Gehirnblutung gut eingeschätzt werden. Die Diagnose dieser Erkrankungen wird in der Regel mittels MRT des Gehirns erstellt – wobei in einer zweiten, separaten Forschungsarbeit gezeigt werden konnte, welche Diagnosekriterien der zerebralen Amyloidangiopathie für das Risiko einer erneuten Gehirnblutung besonders relevant sind.
Risikoeinschätzung
Die Studie hat gezeigt, dass anhand der MRT eine gute Einschätzung des Risikos erneuter Hirnblutungen erfolgen kann – je nach Kombination von Ursache und MRT-Veränderungen kann dieses Risiko zwischen 61 % und unter 1 % über fünf Jahre liegen. Patient*innen mit sogenannten kryptogenen Hirnblutungen, bei denen trotz ausführlicher Untersuchung keine Ursache festgestellt werden konnte, hatten ein äußerst geringes Risiko einer erneuten Hirnblutung. Diese Untersuchungsergebnisse sind nicht nur für die Behandlung wichtig, sondern auch für die Prognose für den Patienten*die Patientin, dessen*deren Familie und Pflegende. „Die individuelle Einschätzung des Risikos kann mittels MRT erfolgen und hat zusätzlich zur unmittelbaren Bedeutung für die betroffenen Patient*innen auch oft direkte Implikationen für Entscheidungen in der medikamentösen Therapie“, so Simon Fandler-Höfler.
Steckbrief: Simon Fandler-Höfler
Simon Fandler-Höfler ist Neurologe mit klinischem Schwerpunkt auf neurologische Notfall- und Intensivmedizin. Wissenschaftlich beschäftigt er sich in erster Linie mit Schlaganfällen, insbesondere mit der intrazerebralen Blutung (Gehirnblutung).
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