Die Blutgerinnung (Hämostase) ist ein lebenswichtiger Prozess, der durch die Verletzung von Blutgefäßen verursachte Blutungen wieder zum Stillstand bringt. Aber auch mit der Entstehung von Entzündungsprozessen und den Funktionen des Immunsystems ist die Blutgerinnung eng verschränkt. Forscher*innen der Med Uni Graz untersuchen in einem vom FWF (Wissenschaftsfonds) geförderten Projekt, wie sich Gallensäuren auf die Blutgerinnung in der Leber auswirken und damit im Zusammenhang mit der Entstehung von Verhärtungen des Gewebes (Fibrosen) stehen könnten.
Blutgerinnung nimmt auf viele Krankheiten Einfluss
Wie aktuelle Studien zeigen, spielt die Blutgerinnung auch bei einer Reihe von Erkrankungen, die nicht unmittelbar mit klinischen Blutungs- oder Thromboseereignissen in Verbindung stehen, eine Rolle, wodurch die Blutgerinnung in den letzten Jahren in den Fokus von interdisziplinären Forschungsprojekten gerückt ist. An der Medizinischen Universität Graz beschäftigen sich Wissenschafter*innen an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in der Forschung schwerpunktmäßig schon längere Zeit mit der pädiatrischen Hämostaseologie. Vor allem im Bereich primäre Gerinnungsstörungen sowie gerinnungsassoziierte Erkrankungen, wie beispielsweise bei der Erforschung der Thromboseneigung bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, können die Grazer Expert*innen bereits eine Reihe an Forschungserfolgen vorweisen.
Da die Blutgerinnung jedoch bei einer Vielzahl pädiatrischer Krankheitsbilder von Bedeutung ist, haben die Wissenschafter*innen der Med Uni Graz in den letzten Jahren weitere Forschungsgebiete erschlossen. Die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde liefert aufgrund ihrer Interdisziplinarität hervorragende Voraussetzungen für klinische, translationale und grundlagenwissenschaftliche Studien, bei denen das Zusammenspiel der Blutgerinnung mit anderen physiologischen und pathologischen Mechanismen untersucht wird. Unter der Leitung von Axel Schlagenhauf gelang nun die Einwerbung eines hoch dotierten wissenschaftlichen Projektes durch den FWF. „Das bewilligte Projekt mit einer Fördersumme von mehr als 250 000 Euro ist an der Schnittstelle von Hämostaseologie und Hepatologie angesiedelt und untersucht die Aktivierung der Blutgerinnung innerhalb der Leber bei einer Störung des Gallenflusses“, beschreibt Axel Schlagenhauf den Fokus des neuen Projektes.
Leber steuert die Blutgerinnung maßgeblich
Die Leber spielt für die Aufrechterhaltung der funktionellen Blutgerinnung eine wichtige Rolle. „Leberzellen sind die Produktionsstätte einer Vielzahl von Gerinnungsfaktoren, die in den Blutkreislauf abgegeben werden; eine Gerinnungsaktivität selbst findet in einer gesunden Leber nicht statt“, so der Experte. Patient*innen mit schweren Lebererkrankungen entwickeln häufig einen Gallenstau, bei dem sich die im Lebergewebe hergestellten Gallensäuren in der Leber anhäufen. Diese Patient*innen können sowohl Blutungen als auch Thrombosen in anderen Körperregionen entwickeln, da die Balance des Blutgerinnungssystems durch eine verminderte Synthesefunktion gestört ist. Von besonderer Bedeutung ist jedoch die Möglichkeit einer Gerinnungsaktivierung innerhalb der Leber, die zu Ablagerungen von Fibrin führt, dem körpereigenen „Klebstoff“ zum Verschluss von Wunden.
Bereits bekannt ist, dass im Lebergewebe von Patient*innen mit chronischem Gallenstau Fibrinablagerungen entstehen. Diese fördern die Entstehung von Fibrosen, die letztendlich zur Zirrhose der Leber führen können. Unklar war bisher jedoch, was die vorherrschenden Auslöser der Blutgerinnung bei einem Gallenstau sind. Die Forscher*innen rund um Axel Schlagenhauf entdeckten, dass eine Anhäufung bestimmter Gallensäuren im Lebergewebe eine Signalkaskade in Leberzellen auslöst, die eine Aktivierung der Blutgerinnung verursachen kann, ohne dass die Gallensäuren direkt mit den Gerinnungsfaktoren in Kontakt stehen. Aufgrund der aussichtsreichen Datenlage finanziert der FWF nun weiterführende Studien im Rahmen eines Einzelprojektes, um den genauen Mechanismus der Interaktion von Gallensäuren mit der Blutgerinnung innerhalb der Leber zu untersuchen. In dem FWF-Projekt mit dem Titel „Tissue-Faktor-Aktivierung durch Gallensäuren in Hepatozyten“ werden etablierte molekularbiologische und enzymkinetische Methoden mit speziellen an der Med Uni Graz entwickelten Gerinnungsanalysen kombiniert, um die Signaltransduktionsprozesse, welche die besagte Gerinnungsaktivierung verursachen, zu erforschen.
Neue Therapieoptionen bei chronischem Gallenstau im Fokus
Zusätzlich zu diesem Grundlagenprojekt überprüft die Forschungsgruppe in der translationalen ChoCoLi-Studie (Cholestasis and Coagulation in the Liver) in Kooperation mit Peter Kornprat von der Klinischen Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Med Uni Graz den Mechanismus bei Kindern und Erwachsenen mit Gallenstau. „Zusammen liefern diese Studien die Basis für zukünftige therapeutische Ansatzpunkte, um bei Patient*innen mit chronischem Gallenstau die Entstehung von Fibrinablagerungen in der Leber zu verhindern und damit ein Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen“, blickt Axel Schlagenhauf in die Zukunft.