Rote Herzen auf rose Hintergrund

Oxytocin: Mehr als nur ein Liebeshormon

Am Tag der Liebe lohnt ein Blick auf eines der wichtigsten Hormone in unserem Körper: Oxytocin. Es stärkt nicht nur unser Bindungsgefühl, sondern beeinflusst auch viele andere Körperfunktionen.


Oxytocin: Ein Hormon für die Geborgenheit

Romantische Candle-Light-Dinner, Blumen und kleine oder größere Geschenke für die Partnerin oder den Partner: Am Valentinstag hat jenes Hochsaison, was der Liebe dient. Über all dem liegt Oxytocin in der Luft. Das Hormon steuert unser Wohlbefinden, hat aber auch andere wichtige Funktionen in unserem Körper.

Durch sanfte Berührungen und Streicheleinheiten werden der Botenstoff Serotonin und das „Kuschel-“ oder auch „Liebeshormon“ genannte Oxytocin ausgeschüttet. Das Resultat: Atmung und Herzfrequenz verlangsamen sich, Anspannungen lassen nach. Wir fühlen uns wohl und geborgen.
Der britische Biochemiker Henry Dale entdeckte Oxytocin 1906. Es wird im Gehirn in der sogenannten Hypophyse gebildet. Aus dem Griechischen übersetzt bedeutet es „leicht gebärend“. Oxytocin beeinflusst unser Leben nämlich schon, bevor es überhaupt beginnt: „Bei der Geburt sorgt Oxytocin dafür, dass sich die Gebärmutter zusammenzieht“, erklärt Michaela Bayerle-Eder, Internistin und Sexualmedizinerin an der MedUni Wien. Gleichzeitig werde bereits gebildete Milch freigesetzt und die Mutter-Kind-Beziehung in der ersten Zeit nach der Geburt gestärkt.

Studien zeigen, dass Babys, die als Kind häufig Berührungen erlebt haben und viel Oxytocin ausgeschüttet haben, als Erwachsene stabilere Beziehungen führen und besser vertrauen können. Forschende aus USA und Deutschland fanden 2019 heraus, dass Kinder bei frühen intensiven Bindungen mit der Mutter später das Oxytocin-System besser hochregulieren können.

Im Erwachsenenalter spielt das Hormon nämlich ebenfalls eine wichtige Rolle: „Oxytocin ist die hormonelle Bestätigung für Liebe und Vertrauen“, sagt Sexualmedizinerin Bayerle-Eder. Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Verliebtheitsphase zwischen zwei Menschen rund zwei Jahre andauert. In dieser Phase sei die Oxytocin-Ausschüttung am höchsten. Während eines Orgasmus steigt der Oxytocin-Spiegel auf ein Vierfaches. „In längeren Beziehungen kann man so den Zustand des frischen Verliebtseins wieder hervorrufen und die Fortpflanzung sicherstellen“, sagt die Expertin.


Der Wunsch nach Bindung ist ein menschliches Grundbedürfnis

Generell ist immer Oxytocin im Spiel, wenn es um die Bindung zu anderen Menschen geht. Und die ist für uns Menschen seit jeher wichtig, bestätigt die Psychologie. Neben dem Bedürfnis nach Kontrolle, Selbstwerterhöhung, Lustgewinn und Stimmigkeit „zählt der Wunsch nach Bindung zu den psychologischen Grundbedürfnissen der Menschen“, erklärt die klinische Psychologin Melanie Lenger von der Med Uni Graz.

Das habe vor allem evolutionsbiologische Gründe: „In früheren Zeiten haben wir auch schon besser in der Gruppe als allein überlebt“, erklärt Melanie Lenger. Ein Ausstoß aus der Gruppe hätte zur Folge gehabt, allein nach Nahrung und Schutz suchen zu müssen. „Das hätte mitunter lebensbedrohlich sein können.“

Oxytocin wirkt sich aber nicht nur auf unsere Beziehung zu anderen Menschen aus. Das Hormon hat viele weitere positive Nebeneffekte: „Es hemmt die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol“, erläutert Internistin Bayerle-Eder. Ein erhöhter Cortisolspiegel schwächt unser Immunsystem. Kuscheln stärkt also auf indirektem Weg unsere Abwehrkräfte und macht Viren und Bakterien das Leben schwer.

Außerdem wirkt sich das Ansteigen des Oxytocin-Spiegels auf unser Schmerzempfinden aus: In Forschungsprojekten konnte nachgewiesen werden, dass Oxytocin die Weiterleitung von Schmerzreizen im Rückenmark blockiert und gleichzeitig die Schmerzempfindung in der Körperperipherie hemmt, heißt es in einer Aussendung des Deutschen Krebsforschungszentrums.
Dazu kommt: Das Hormon kann Ängste dämpfen. „Die entspannungsfördernde Wirkung von Oxytocin kann sich positiv gegen Depressionen auswirken“, sagt Bayerle-Eder von der MedUni Wien. Es reguliere bei Angststörungen und helfe auch bei Begleiterscheinungen von Depressionen wie etwa Schlafproblemen. Nicht zuletzt fördert das Bindungshormon auch die Leistung des Gedächtnisses.
Oxytocin hat also viele positive Eigenschaften. Ist für die Ausschüttung des Hormons aber immer eine Partnerin oder ein Partner nötig? Keinesfalls, sind sich beide Expertinnen einig. Beim Tanzen und Singen wird Oxytocin ausgeschüttet, bei Massagen, beim Einkuscheln in eine Decke, beim Streicheln von Haustieren oder etwa auch bei einem guten Essen. „Bei vielem, was bei uns ein wohliges Gefühl auslöst, ist Oxytocin im Spiel“, sagt Internistin Bayerle-Eder.

„Es gibt viele Dinge, die uns ähnlich glücklich machen wie Kuscheln mit einer Partnerin oder einem Partner“, ergänzt Psychologin Lenger. Der Valentinstag könne eine gute Erinnerung für Paare sein, sich Zeit füreinander zu nehmen. „Aber generell geht es einfach darum, sich immer wieder bewusst Wohlfühlmomente zu schaffen.“

Textnachweis: Sabrina Glas, Salzburger Nachrichten vom 14.02.2023