Blutzuckermessung - habrovich/AdobeStock

Stetige Blutzuckermessung für Pilot*innen mit Diabetes sicher

In den vergangenen Jahren hat sich vor allem für Typ-1-Diabetiker*innen, die ständig auf die Zufuhr von Insulin zur Beherrschung ihres Blutzuckers angewiesen sind, die permanente Glukosemessung aus der Gewebeflüssigkeit etabliert. Laut der aktuellen Studie eines österreichisch-britisch-irischen Forschungsteams ist ein solches System auch für Berufspilot*innen sicher.


Die Expert*innen unter David Russel-Jones, Endokrinologe an der Universität Surrey, mit Co-Autor*innen aus Irland und Österreich (von der Austrocontrol sowie von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Med Uni Graz) haben sich einem für manche Berufspilot*innen besonders wichtigen Thema gewidmet: der Kontrolle des Blutzuckerspiegels im Falle einer Diabeteserkrankung. "Derzeit geben in Europa nur drei Staaten - Großbritannien, Österreich und Irland - Pilot*innen mit Zuckerkrankheit eine volle Berufsgenehmigung im Rahmen der kommerziellen Luftfahrt", schrieb die britische Universität erst im vergangenen Frühjahr in einer Presseaussendung.


Versorgung von Diabetiker*innen stark verbessert

Die Beschränkungen sind insofern verständlich, als Diabetiker*innen durch zu viel Insulingabe im Vergleich zur Aufnahme von Kohlenhydraten in eine Hypoglykämie-Episode (Unterzuckerung) hineinrutschen können. Verwirrtheitszustände bis hin zu Ohnmacht können die Folge sein. Es kommt also auf eine exakte Blutzuckerkontrolle an. Hier hat sich die Situation durch die ständigen Verbesserungen der Geräte zur Selbstmessung des Blutzuckers aber stark verändert. Die Grazer Diabetologin Julia Mader wurde von der Universität Surrey so zitiert: "Die Versorgung von Diabetiker*innen hat sich in den vergangenen 20 Jahren stark verbessert. Die Patient*innen können ihre Insulinspiegel (und somit auch die Blutzuckerkonzentration; Anm.) leicht messen bzw. unter Kontrolle halten."Während früher die Blutzucker-Selbstmessung ausschließlich auf dem täglich mehrfachen Stich in eine Fingerkuppe und der anschließenden Messung via Teststreifen und kleinen tragbaren Geräten beruhte, hat in jüngerer Vergangenheit die Glukosemessung aus der Gewebeflüssigkeit die Lage revolutioniert. Ein kleiner Sensor wird auf die Haut, oft am Oberarm, geklebt. Der Sensor, der unter die Haut hineinreicht, misst zum Beispiel zehn Tage lang permanent den Gewebeglukosespiegel, der mit dem Blutzucker korreliert. Die Werte werden an ein kompatibles Handy gesendet und in Echtzeit dargestellt. Bei problematischen Glukosewerten schlägt das System Alarm. Dadurch entfällt die sonst mehrfach tägliche Entnahme von Blut, die einfach unangenehm und auch schmerzhaft ist.


In die aktuelle Studie, die jetzt in "Diabetes Technology & Therapeutics" erschienen ist, wurden insgesamt acht professionelle Pilot*innen aufgenommen. Ihr mittleres Alter war 48,5 Jahre, sieben von ihnen hatten Typ-1-Diabetes (insulinpflichtiger Diabetes), einer einen Diabetes vom Typ 3c mit einer nicht ausreichenden Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse durch eine andere Erkrankung des Organs.Die Pilot*innen, im Mittel hatten sie bereits 11,5 Jahre an Diabetes gelitten, wurden aufgefordert, ihre Blutzuckerwerte weiterhin routinemäßig aus Fingerkuppenblut zu bestimmen. Gleichzeitig erhielten sie ein System zur kontinuierlichen Glukosebestimmung mit einem Sensorsystem (Dexcom G6). Schließlich wurden 874 Werte aus beiden Messmethoden, benutzt vor und während dem beruflichen Pilotieren von Flugzeugen, verglichen.


Fazit: Die Blutzuckerwerte stimmten de facto überein. Es gab keine statistisch relevanten Abweichungen. "Die kontinuierliche Glukosemessung (...) ist eine sichere Alternative zur Blutzucker-Selbstmessung bei Pilot*innen in der kommerziellen Luftfahrt", stellten die Autor*innen fest, zu denen auch Julia Mader von der Klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Med Uni Graz gehörte.


Große Vorteile durch permanente Messsysteme

Speziell für Patient*innen mit intensivierter Insulintherapie bieten die modernen permanenten Messsysteme große Vorteile: Die Werte werden Tag und Nacht erhoben. Diabetiker*innen können beispielsweise in der Nacht besonders leicht in eine Hypoglykämie rutschen, was sie im Schlaf oft nicht bemerken. Die Gewebeglukosemessung über Sensoren gibt Trends an und kann Alarm schlagen. Bei einer genauer angepassten Insulintherapie lässt sich auch der mittelfristige Blutzuckerwert (HbA1c) verbessern. Außerdem wird das Tragen der Sensoren oft als deutlich angenehmer als die Blutzucker-Selbstmesssysteme mit Nadeln empfunden. Anlässlich einer anderen Studie zu Diabetes unter Flugbedingungen sagte David Russel-Jones von der Universität Surrey: "Wenn eine Diabeteserkrankung gut unter Kontrolle ist, sollte sie niemanden vor der Übernahme wichtiger Funktionen, zum Beispiel des Steuerns von Flugzeugen in der kommerziellen Luftfahrt, hindern." Dazu seien aber auch exakte Forschungen zum Einfluss der jeweiligen Bedingungen auf die Zuckerkrankheit notwendig.


Textnachweis: science.apa.at vom 09.08.2023

Kontakt

Assoz.-Prof.in Priv.-Doz.in Dr.in med.univ.
Julia Mader 
Medizinische Universität Graz
Klinische Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie