Zum aktuellen Zeitpunkt geht die Wissenschaft davon aus, dass eine permanente, sehr leichte Entzündung in der Entstehung und Symptomen der bipolaren Störung involviert ist. Ein routinemäßig bestimmter Entzündungsblutwert, das CRP ist mit Anzahl von Krankheitsepisoden (Queissner et al., 2018) sowie der kognitiven Flexibilität verbunden (Dalkner et al., 2020).
Ein Schwerpunkt unserer Bipolar-Forschungsgruppe ist die Untersuchung des Tryptophan-Stoffwechsels. Tryptophan ist einerseits der Vorläufer von Serotonin, was weiter zu Melatonin verstoffwechselt wird und andererseits von Kynurenin. Menschen mit bipolarer Erkrankung haben eine gesteigerte Verstoffwechslung von Tryptophan zu dem Kynureninweg, was eng mit Entzündungsprozessen zusammenhängt und weitere Einflüsse auf Stimmung, Schlaf und Denken hat (Reininghaus et al.,2014; Fellendorf et al., 2022). Depressive Symptomatik ist mit einer erniedrigten Synthese von der neurotrotektiven Kynureninsäure und manische Zustände mit einer generell erhöhten Entzündung verbunden (Maget et al., 2020). Eine Veränderung der Werte wurde im Langzeitverlauf jedoch nicht gefunden (Fellendorf et al., 2021). Möglicherweise ist diese Kaskade sowie weitere entzündliche Prozesse auch mit dem klinischen Ansprechen auf die medikamentöse Therapie, insbesondere eine Lithiumtherapie verbunden (Fellendorf et al., 2022; Queissner et al., 2021). Der Abbau von Kynurenin hin zu nervenschädigenden Produkten im Vergleich zu nervenprotektiven Produkten ist bei der bipolarer Erkrankung im Vergleich zu Gesunden erhöht (Birner et al., 2017) und mit einer schlechteren Gedächtnisleistung assoziiert (Platzer et al., 2017).
Diese Entzündungsprozesse sind vermutlich auch in dem erhöhten Risiko an Übergewicht und damit verbundenen körperlichen Folgeerkrankungen zu leiden involviert (Lackner et al., 2015; Mangge et al., 2019). Übergewicht und insbesondere das Metabolische Syndrom (Übergewicht, Bluthochdruck, Zucken- und Fettstoffwechselstörung) ist mit schlechteren kognitiven Funktionen verbunden (Lackner et al., 2015; Dalkner et al., 2021), wobei insbesondere stammbetontes („Apfelform“) eine Rolle spielen dürfte (Reininghaus B et al., 2022). Es wurde gefunden, dass ein erhöhter body mass index eine Verschlechterung in der Gedächtnisleistung über ein Jahre vorhersagen kann (Dalkner et al., 2021). Regelmäßiger Sport wirkt sich zumindest bei Frauen positiv auf die kognitive Funktion aus (Fellendorf et al., 2017). Im Vergleich zu Übergewichtigen haben Normalgewichtige Menschen mit bipolarer Erkrankung häufiger Suizidale Gedanken (Stenzel et al., 2022).
Menschen mit bipolarer Erkrankung, insbesondere Raucher*innen, berichteten ein größeres Verlangen nach fettigen Speisen und Fast Food als gesunde Kontrollen. Hierbei spielen das „Hunger“-Hormon Ghrelin sowie bestimmte Medikamente wichtige Rollen (Platzer et al., 2020). In Subanalysen wurden Geschlechtsunterschiede gefunden sowie Zusammenhänge von Kohlenhydrat Verlangen und dem Tryptophan-Kynurenin Stoffwechsel (Dalkner et al., 2018). Adiponektin ist ein Hormon, das im Fettstoffwechsel und somit für körperliche Begleiterkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Es wurden veränderte Werte bei bipolaren Menschen sowie zwischen depressiven und euthymen Episoden gefunden (Platzer et al., 2019).
Im EEG zeigte sich eine reduzierte Aktivität im temporalen Kortex, was möglicherweise mit Einschränkungen der Exekutivfunktionen zusammenhängen könnte (Painold et al., 2020). Im Gehirn wurden bei Menschen mit bipolarer Erkrankung mehr „white matter lesions“ gefunden, was bei Männern mit der Krankheitsphasenanzahl zusammenhing (Birner et al., 2015)..
Medikation, insbesondere Lithium hat einen Effekt auf die graue und weiße Gehirnsubstanz und vermutlich einen positiven Effekt auf Nervenzellneubildung (Hamm et al., 2019). In unseren Bildgebungsuntersuchungen wurde gezeigt, dass die Einnahme von Antipsychotika mit einem reduzierten normalisierten Volumen der grauen Masse des Gehirns verbunden ist (Birner et al., 2020)
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